Wenn aufs Mal ein Weltmeister für den Veloblitz unterwegs ist

Franco Marvulli blickt im Interview auf seine Zeit beim Blitz zurück.

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Wir blicken zurück. Auf eine Zeit, in der alles anders war. Plötzlich müssen alle testen. Es gibt Massentests, welche im Rahmen des Projekts “Together we test”, möglichst schnell im Labor landen müssen. Diese dürfen unter anderen wir abholen. Deshalb fahren wir Im April 2021 unsere Kapazitäten innert kürzester Zeit hoch und haben organisieren Menschen, welche in irgendeiner Weise mit uns verbunden sind. Aktuelle Kurier:innen, die aufgrund der Pandemie freie Kapazitäten haben, Ehemalige und sogar ein Weltmeister. Franco Marvulli. Er blickt im Interview auf seine Zeit beim Blitz zurück und hat schon damals seine Erfahrungen auf seinem Instagram-Account festgehalten. Dies findest du weiter unten.

Lieber Franco, plötzlich warst du Velokurier. Wie kam’s dazu?


Der Job als Velokurier hat mich irgendwie schon immer fasziniert. Als man mich fragte, ob ich als PR-Aktion für die Coronatest-Sammelaktiom zur Verfügung stehen würde, wollte ich es umbedingt gleich richtig machen und selber versuche. Ich habe mir dafür drei Wochen Zeit genommen.


Wie hast du dir das Leben als Kurier vorgestellt?

Abwechslungsreich, spannend und der richtige Mix aus Begegnungen und Velofahren.



Und wie war’s dann tatsächlich?

Grundsätzlich genauso wie in meinen Vorstellungen. Es hat mir Spass gemacht.

 Als ehemaliger Rennfahrer bist du dir schnelles Velofahren gewöhnt.

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Wie unterscheidet sich die Belastung als Kurier und als Rennfahrer? Was ist anstrengender? 


Für mich war das Kurieren entspannt und eher ein Intervalltraining. Am Abend oder nach der Schicht genoss ich mit meinen Kollegen noch ein Bierchen und fiel Zuhause entspannt und müde ins Bett. Aber man kann es nicht wirklich miteinander vergleichen. Doch eine Gemeinsamkeit gibt es, man will bei beiden Sachen möglichst schnell im/am Ziel sein.


Welches Erlebnis beim Veloblitz ist dir am meisten geblieben? 


Ich hatte eine Lieferung, die ich meinem alten Nationalmechaniker, Fritz Brühlmann, ins Altersheim vorbei brachte. Wir kennen uns seitfast dreissig Jahren. Im Paket waren übrigens zwei Bier und Schweizer Schokolade.


Und als letztes hast du noch einen Wunsch frei. Was wünschst du dir von der Velostadt Zürich?


Ich wünsche mir, dass das Fahrrad bei vielen Menschen zum Hauptstransportmittel wird.

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Francos Erfahrungen, festgehalten auf seinem Instagram-Account.

🎁 Mein erster Tag als Velokurier 🎁

VELOBLITZ-MARVULLI

Einige werden sich jetzt fragen, WIESO? Ganz einfach, der Veloblitz braucht Unterstützung beim Einsammeln von Coronatests.

Spontan werde ich angefragt und zack zack sitze ich auf dem Velo, ausgerüstet mit Rucksack und Funk. Tim und Adi führen mich in die Geheimnisse der Messengerwelt ein. Danke dafür.

Der Beruf des Velokurier beinhaltet alles, was ich im Moment als wichtig empfinde. Bewegung, ökologisches Denken, Bekämpfung von Corona, Arbeiten im Freien, Kontakt zu Menschen. Ich werde gebraucht, mein Kopf muss logistisch denken, ich trage etwas zur Gesellschaft bei, gehe meiner Leidenschaft nach, und, und, und … Perfekt. Deshalb habe ich mich entschieden, 3 Wochen als Velokurier zu Arbeiten. Nicht des Geldes wegen (einige machten sich schon Sorgen).

In meiner ersten Schicht komme ich schon auf stattliche 120 Kilometer. Ich fahre von Schlieren ins Tierspital, von der Langstrasse nach ZH-Affoltern und vom Hauptbahnhof nach Horgen und Meilen (über den See natürlich mit der Fähre).

Fazit Tag 1.

Ich bin müde aber glücklich. Mein neues Team fühlt sich an wie eine grosse Familie ✌😁🙏😝

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🚴‍♂️ Mein 2. Tag als Velokurier 🚴‍♂️

Schon mal einen Velokurier gebraucht? Trinkgeld, der Blitz und Tele Züri

Es ist auch heute ein fantastischer Tag. Als Sämi9 (also als Kurier mit dem Funkgerät Nummer 9) startete ich in den Tag ✌ Ein Paket muss vom Triemli ins Hirslanden, ich dachte an eine medizinische Probe und bin überrascht, dass es ein "Frässpäckli" ist, dass eine Frau ihrem Mann als Überraschung schickt. Leider darf sie ihn im Spital nicht besuchen.

Fazit: schöne Geste, zwei Menschen happy gemacht und erst noch Trinkgeld bekommen.

Mein fünfter Auftrag ist mitten in Zürich, die Dokumente müssen nach Thalwil. Die nette Dame fragt, wie lange es etwa dauert: “Mehr als 1 Stunde?” Ich lache und antworte: “Wir sind der Veloblitz, 20 Minuten reichen.” Sie fragt, wie ich heisse. Ich: “Marvulli mit Maske 😁”

“Ich dachte, ich kenne sie, kein Wunder, dass es so schnell geht.”

❓ Wie schnell kann ein Brief von Zürich in Genf sein ❓

Eine solche Frage habe ich mir noch nie gestellt, wieso auch? Ich musste noch nie etwas so dringend versenden. Als Velokurier werde ich jetzt mit solchen Fragen konfrontiert. Ich kann es euch sagen. VIer Stunden von Haustür zu Haustür, dabei werden noch zusätzlich 134 Kilogramm CO2 gespart. Schneller wäre nur ein Helikopter.

Und so funktioniert es:

Auf meinem Funk bekomme ich die Nachricht, dass eine Eilsendung abgeholt werden muss, alle Details, wo und wann, sehe ich zeitgleich auf dem Handy. Ich fahre hin und hole das Paket. Der nächste Zug nach Genf fährt um 13 Uhr. Es ist erst 12.11 Uhr. Was nun? Ich bin schon in der Nähe vom HB. Über den Funk hört jemand, dass ich in der Nähe bin, Aline hat auch noch etwas für auf diesen Zug, leider muss sie vorher noch rauf zum Zoo, also fange ich sie auf dem Weg ab und sie übergibt mir ihre Sendung, diese Logistik kommt nicht von der Zentrale, sie kommt vom aufmerksamen Zuhören am Funk und Mitdenken.

12.29 Uhr, ich müsste nach Thalwil, aber 30 Minuten warten? Wäre ineffizient.

Ich frage per Funk an, ob jemand von uns am Bahnhof ist. Reto meldet sich, er hat einige Briefe und Proben. Beim Gleis 4 treffe ich mich ihn und übergebe ihm meine Sendungen.

Jetzt ist Reto an der Reihe, mit oranger Leuchtweste, steigt er um 12.59 Uhr in den Zug nach Genf und schliesst die Sendung in ein spezielles Postfach.

13 Uhr: die Sendung ist eingeschlossen unterwegs, in Genf ist man informiert, wann der Zug ankommt, ein Genfer Velokurier wird alles entgegennehmen und zum Zielort bringen. Unterdessen bin ich schon fast in Thalwil.

Das alles hört sich kompliziert an, macht aber unglaublich Freude. Das miteinander Denken und dieser Teamspirit machen die ganze Sache unheimlich spannend. Es geht nicht um den Speed auf dem Rad, es geht um Timing ☺Das Leben als Velokurier ist unglaublich sozial. Ich spüre keinen Konkurrenzkampf, bekomme nützliche Tipps und bin sei Tag 1 im Team aufgenommen. Diese Erfahrung ist eine Bereicherung in meinem Leben. Hier geht es nicht um mich, es geht um die gemeinsame Sache.

Seit einer Woche bin ich als Kurier unterwegs, es fühlt sich jedoch an als würde ich es schon viel länger machen. Das Velofahren ist ja nicht neu, das Überbringen von Paketen, Briefen, Proben oder anderen Dinge schon. Noch nie habe ich einen so abwechslungsreichen Job gemacht. Ich weiss meistens nicht, was ich abhole und wer es bekommt, doch wenn ich vor einem Kunden stehe, ist häufig vieles klar.

In einer Apotheke in Altstetten hole ich zwei Taschen ab, sie gehen direkt zu zwei Kunden, vielleicht können sie sie selber nicht mehr abholen.

Einen Kilometer später stehe ich vor einem grossen Häuserblock und klingle. Lange geschieht nichts, eine Nachbarin verlässt das Haus und fragt mich, ob sie helfen kann.

Ich sage ihr, ich müsse zu Frau Kreti. "4. Stock, sie hört nicht gut.” Als die Tür im 4 Stock aufgeht, knallt mir ein kalter Nikotingeruch entgegen, etwa so als würde jemand seit 50 Jahren rauchen und die Fenster nie öffnen. Die ca. 80 jährige Frau schaut mich hoffnungsvoll an. Ich habe ihre Medikamente! Extra laut damit sie mich versteht. Sie lächelt, bedankt sich und sagt mir, dass sie mich schon erwartet hat. Sie wirkt sehr schwach, das Rauchen hält sie bestimmt nicht jünger ist aber fester Bestandteil ihres Tagesablaufs. Oder liefere ich ihr etwa Nikotinkaugummis? Sie drückt mir 2 Franken in die Hand und bedankt sich nochmals.

Nur zwei Kilometer weiter klingle ich wieder an einer Tür. Keine Antwort, irgendwie ist heute nicht mein Tag, denke ich. Ich höre ein Wimmern, rufe “HALLOOOOO.” Wieder eine hilfesuchende Stimme. Ich riskiere es und klopfe nochmals, bevor ich eintrete. “Hallo Herr Pleti, der Veloblitz ist da.”

Ich stehe vor einem kleinen, älteren Mann, er stützt sich auf seinen Rollator, im Schlepptau eine Sauerstoffflasche, er schaut mich an und sagt: “Kommen sie nur rein, ich habe leider immer so lange bis ich an der Türe bin.”

Er wirkt sehr einsam. Ich bin wahrscheinlich sein Highlight des Tages. Auch ihm bringe ich Medikamente, die er sicher dringend braucht. Diese Ereignisse stimmen mich sehr nachdenklich. Der Blumenstrauss, den ich in der Nähe des Stauffachers abhole,wirkt da schon festlicher, jetzt kann ich jemandem eine Freude machen.

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⚡ Veloblitz-Marvulli 2.Woche ⚡ – Der Lastesel, Dana und das riesige Paket.

Ich habe mich einfach gefreut, endlich wieder meinen Rucksack auf die Schultern zu schnallen. Die erste Woche war super, ich habe viel erlebt und gelernt, doch die Schonfrist ist vorbei. Um 6.10Uhr geht’s in Alten los. 40km nach Zürich zum Veloblitz. Einwärmen ist bekanntlich wichtig, sagt man.

Mein erster Auftrag: ein Paket von der Brunau nach Oerlikon liefern. Paket? Sechs Aktenordner (gefühltes Gewicht 15kg), den Rosengarten hoch machen sie sich spürbar 😆 Doch es ist erst der Anfang. Es geht den ganzen Tag so weiter. Krafttraining auf dem Velo 🤪 Ich bin jetzt ein eidgenössisch diplomierter Lastesel. 😂

“Franco wir brauchen dich am HB, schwere Güter im Anmarsch 😳” Ich treffe Dana, sie erklärt mir was genau meine Aufgabe ist. 26ig ist sie und schon seit einer Weile Teilzeitvelokurierin. Den Rest ihrer Zeit geht sie zur Schule. Wir müssen Gepäckstücke von einem Zug in den nächsten laden. Okay, Gepäckstücke ist untertrieben. Die eine Kiste wiegt ca. 50kg. Zwischendurch kommt noch die Meldung, dass eine Sendung auf einem verspäteten Zug ankommt. Eine Minute zum Umladen von Gleis 16 auf Gleis 6. Ich bin verwirrt und etwas überfordert, Dana bleibt cool, so als würde man Wasser zum kochen bringen. Daily business 😬

Lustig, als wir fertig sind, sagt sie zu mir: "Hey Franco , ich habe ein Foto mit dir und Risi!"

“Echt?” "Ja, ich war 2006 im Hallenstadion zum Sechstagerennen, damals war ich 12." 😂 Wow, denke ich. So trifft man/Frau sich wieder. Danke für deine Tipps und schön haben wir uns mal wieder gesehen (lange ist's her 😊).

Ich melde mich über den Funk beim Dispo. “Marvulli am HB, bin leer.” “Warte fünf Minuten, einige Kurier:innen bringen dir noch Dinge, die du nach Wallisellen bringen musst.”

Also fahre ich fünf Minuten später mit 5 kg Ware los, inkl. zwei Adressen, an denen ich auf dem Weg noch etwas abholen muss. Logistik ist alles.

Danke Veloblitzfamilie. Heute war ein lehrreicher Tag 🥵🙏

Mein Tacho zeigt 110 km, heute Nacht werde ich gut schlafen 😴.

Erkenntnis des Tages: 100 Velokurier-Kilometer sind härter wie 100 Gümmeler Kilometer.

Wer kennt ihn nicht?


Heute werde ich nach Wallisellen bestellt. Als ich an der besagten Adresse klingle, öffnet ein junger Mann (in meinem Alter) ☺ (spass) 😂 “Hallo Franco, wie geht’s dir?” “Gut.” “Willst du einen Kaffee?” Da nicht viel los ist und es nach Regen aussieht, sagte ich spontan zu, Kundenpflege ist auch wichtig. Als ich die nächste Zieldestination auf meinem Smartphone anschaue, bemerke ich darauf den Namen Fritz Brühlmann.

Fritz? Brühlmann? Jetzt kommen alle Fäden zusammen, denn mir wird erklärt, was geschieht. Ein Freund aus Florida (Andre Bohren) gab dem Herrn, bei dem ich jetzt bin, eine Bestellung auf (Überraschungspaket für Fritz), dann bestellte er mich als Kurier um die Sendung persönlich zu überbringen.

Jetzt zu Fritz Brühlmann: Fritz war sehr lange Zeit Mechaniker der Schweizer Nationalmannschaft. Eine lebende Legende. Bei unzähligen WM, EM, olympischen Spielen und Weltcups war er dabei. Vor und nach meiner Zeit als aktiver Fahrer. Was habe ich nicht alles mit Fritz erlebt. 1999 war ich mit ihm und den Jungs in Dallas (deshalb kennen wir Andre, einen Auslandschweizer, der uns vor Ort unterstützte).

Es wird ein sehr schöner Moment, denn ich habe Fritz seit Anfang der Coronazeit nicht mehr gesehen, er wohnt jetzt in einer Altersresidenz und freut sich sehr über den Besuch. Ich nehme mir die Zeit, und melde mich beim Disponenten ab. Marvulli braucht Pause.

Der Dispo lacht nur und sagt: Nehmt euch Zeit, wir alle hier wussten ja, wohin du musst.” Danke Andre und Veloblitz, die Überraschung ist geglückt.

Zum Abschluss sagt mir Fritz, nachdem wir über unsere Vergangenheit sprachen: “Grüss mir alle Velofahrer und bestell Andre einen Gruss nach Florida.”

So endet ein doch sehr aussergewöhnlicher Tag im Sattel, kurz bevor der Himmel seine Schleusen öffnet.

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⚡ Veloblitz-Marvulli Woche 3 ⚡

Schon mal einen Velokurier benötigt?

Die Wurst, die Forch und die "fast" Pinkelpause

Der Start zur dritten Woche geht wieder mit einer 40 km Einwärmrunde los. Alten-Zürich mit dem Finale "Rosengarten bergab".

Bis jetzt habe ich noch nie etwas essbares transportiert. Heute braucht aber ein Restaurant dringend eine 2 kg Salami. So dringend, dass sie einen Velokurier engagieren. Ich habe mir schon überlegt, meine Gage für den Transport in Aufschnitt zu verlangen.

Danach geht’s über Witikon nach Egg und dann über die Forch nach Meilen 🤪 Dem Regen bin ich wie immer elegant ausgewichen. Trotz vielen steilen Höhenmetern ist die Aussicht auf Greifen- und Zürichsee unbezahlbar.

Eines hat mich auch heute wieder verwundert. Ich hätte schon lange pinkeln müssen, vor jedem Kunden sagte ich mir: "Sobald ich ausgeliefert hab, mache ich fünf Minuten Pause". Tja, auch fünf Stunden später hat sich nichts an der Situation geändert. Denn kaum habe ich etwas ausgeliefert, ist schon der nächste Auftrag gekommen. Obwohl wir meistens keinen Stress haben, ist es der Stolz aller Velokurier:innen, den Auftrag so schnell wie möglich zu erledigen und den Kunden nicht warten zu lassen. 🤷‍♂️🤦‍♂️

Nach der Schicht chille ich noch etwas in unserer Zentrale. Stefan, ein Arbeitskollege, den ich sehr schätze (er führt mich täglich in die Geheimnisse des Kurieren ein) teilt sein Brathähnchen mit mir. Müde aber glücklich frage ich mich jetzt wie es weitergehen soll. Es ist ja meine letzte Kurier-Woche 🤔

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⚡ Veloblitz-Marvulli ⚡Der letzte Tag?

Zumindest offiziell, denn am Donnerstag ist Auffahrt, also entschliesse ich spontan, die Donnerstagsschicht anzuhängen.

Ich suche noch nach einer letzten Challenge. Als ich bei meinen Kurierkumpels nachfrage, was das sein könnte, kommt nichts raus, dass mich reizt. Als Sportler will ich den Kick, die volle Dröhnung. Also setze ich mir selber ein Ziel: Der perfekte Velokuriertag.

200km, unfallfrei durchkommen, alle Lieferungen zeitgemäss zustellen und am Ende der Schichten mit den anderen Kurier:innen ein Bier trinken.

Um 6.15 fahre ich in Alten los, das Wetter sieht für mein Vorhaben nicht wirklich gut aus, doch hochgesteckte Ziele muss man sich hart erarbeiten.

In Winterthur werde ich mit Regen begrüsst, bevor meine erste Schicht überhaupt beginnt. Egal, denke ich mir, es kann nur noch schöner werden.

Kurz vor Wallisellen, kommt mir eine Idee. Wieso fahre ich immer mitten in die Stadt, mein Arbeitsweg ist ja nicht bezahlt. Irgendwie muss ich doch alles verbinden können. Ich rufe via Handy in der Zentrale an und frage, ob in der Nähe von Wallisellen ein Auftrag offen sei. “Ja, um 8 Uhr in Glattbrugg, kannst du gleich nach Regensdorf bringen!” Noch habe ich keinen Funk dabei und der grosse Rucksack liegt auch noch im Geschäft. Da die Sendung nur aus einem Brief besteht, ist dies jedoch kein Problem.

Perfekt, denke ich mir, 30 Minuten gespart und einige Kilometer dazugewonnen. Das Wetter bessert sich langsam und Adi, mein Dosponent am anderen Ende des Funks, ist informiert, dass ich heute die 200 km anpeile. Er plant mich also für die weiteren Auslieferungen ein.

Kloten, Dübendorf, Maur, Egg, die Forch hoch nach Bengeln und über Witikon nach Zürich an den Hauptbahnhof.

“Adi, diese Tour schaffe ich nicht bis 12.39.“ “Kein Ding Franco, ich glaube an dich!“

Ich fahre also weiter und sammle eine Probe nach der anderen, nur um den Hauptbahnhof um 12.42 zu erreichen. Sicherheit geht vor und stressen war früher. Zum Glück geht der nächste Zug nur kurze Zeit später, ich bin nicht der einzige, der den 12.39 verpasst hat ☺

Langsam macht sich der lange Tag bemerkbar, auf dem Tacho stehen schon 130 km, 400 Treppenstufen, unzählige Male auf und absteigen, bremsen dann wieder beschleunigen. Um 18 Uhr schaue ich auf meine Uhr, genau 199,8 km… Theoretisch könnte ich in 200 Metern den Bus nehmen, das Problem ist nur, dass ich in Dübendorf bin und noch eine Eilsendung für einen Spital auf dem Rücken habe. Als ich zurück im Veloblitz bin, sind es halt 210 km.

Geil, ich habe es geschafft, ich bin einfach stolz auf meine Leistung, auf mich, einer dieser Momente, bei denen ich einfach zufrieden auf der Treppe vor dem Eingang sitze und am liebsten möchte, dass die Zeit stehen bleibt. Nicht, dass ich irgendetwas vollbracht hatte, dass vor mir noch nie jemand geschafft hat. Nein, es ist die Kunst des Zufriedenseins die diesen Moment für mich so speziell machen. Das Bier und der indische Reis runden den perfekten Velokuriertag ab. Jetzt noch mit dem Velo nach hause fahren? Nein keine Chance, es gibt Situationen, die man einfach nicht ändern sollte ☺ Ich habe den „perfekten Velokuriertag“ erfunden ⚡😁😉⚡

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